Im Spätherbst des Jahres 1620 machte sich eine Gruppe von Siedlern auf der Mayflower auf den Weg in ihre neue Heimat in Nordamerika. Sie sind als die Pilgerväter in die Geschichte eingegangen. Das Ziel der Männer, Frauen und ihrer Kinder an Bord des Schiffes war es, ein neues Leben unabhängig von der Bevormundung und den Verfolgungen in ihrer alten Heimat England und vor allem unabhängig von der anglikanischen Staatskirche führen zu können. Ein Leben, in dem sie frei in der Ausübung ihres Glaubens sein würden. Ein Leben, in dem sie frei als Gemeinschaft leben würden, bei dem der Wille der Mehrheit der Gruppe zählt. Die Pilgerväter haben, so wie sie ihre neue Gemeinschaft gründeten, unglaublich viel zur Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika, zum Demokratieverständnis im Land beigetragen.
Die Pilgerväter waren zu einem großen Teil Puritaner. Auf der Mayflower waren etwas weniger als die Hälfte der Passagiere nicht diesem Glauben zuzuordnen, wurden „Fremde“ genannt, die sich den Puritanern auf der Überfahrt angeschlossen hatten und von den Geldgebern ebenfalls für die Überfahrt und das Siedlungsprojekt in der Neuen Welt zugelassen wurden. An Bord der Mayflower waren vor allem Handwerker und Bauern, die nicht vermögend waren. Einer der Pilgerväter an Bord, William Bradford, führte ein Tagebuch und dokumentierte das Leben auf der Überfahrt und den Beginn in der neuen Heimat, das er schließlich 1650, dreißig Jahre nach ihrer Ankunft, in dem Buch „History of Plymouth Plantation“, veröffentlichte. So wurde er zum Chronisten der Pilgerväter und hat damit einen einzigartigen Einblick in ihr Leben und ihren Neuanfang in der Neuen Welt hinterlassen.
Die Pilgerväter waren Puritaner, eine Glaubensrichtung, die in den Jahren der Regierungszeit von Königin Elizabeth I. entstanden war. Sie wurden auch Separatisten genannt, da sie für eine vollständige Autonomie der Kirchengemeinde eintraten. Gemäß des Glaubens der Puritaner sollte die Kirche direkt Gott unterstellt sein, eine Kirche frei von der Macht der Bischöfe der anglikanischen Kirche und frei von Ritualen, Heiligenbildern und dem sonstigen Prunk der englischen Kirchen. Die Puritaner waren der Meinung, dass die Reformation in England zu einem Stillstand gekommen und die Kirche nicht vollständig reformiert worden sei. Sie wollten diesen Reformationsprozess fortsetzen und vertiefen und zu einer reinen Kirche zurückkehren, so wie sie einst durch Jesus begründet worden war.
Leicht verständlich also, dass sie mit dieser Einstellung in ihrer alten Heimat in Konflikt gerieten. Unter Heinrich VIII. hatte sich England vom katholischen Glauben, von Rom losgesagt und beschlossen, den protestantischen Weg zu gehen. Fortan war der englische Monarch das Oberhaupt der englischen, der anglikanischen Kirche. Und so gerieten die Puritaner unter Elizabeth I., der Tochter Heinrichs VIII., in Bedrängnis und wurden zunehmend als eine Bedrohung gesehen. Im Jahr 1593 erließ Elizabeth I. ein Gesetz, wonach die Glaubensrichtung der Puritaner verboten und unter Strafe gestellt wurde, wer nicht die englischen Monarchen als kirchliches Oberhaupt anerkennen wollte. Verhaftung und gar die Todesstrafe drohten. 1603 folgte ihr Jakob I. auf den Thron, von dem sich die Puritaner mehr Toleranz erhofften. Doch diese blieb aus und auch er ließ die Puritaner verfolgen.
So blieb den Puritanern nichts anderes übrig, als England den Rücken zu kehren. Hunderte von ihnen flohen in das weitaus liberalere Holland. So auch die Gruppe der Puritaner unter den Predigern Richard Clyfton und John Robinson und dem Kirchenältesten William Brewster, aus denen die Pilgerväter hervorgingen. Sie verließen 1608 ihre bisherige Heimat in Scrooby, hoch im Norden Englands in der Grafschaft Yorkshire gelegen, und ließen sich in Holland in der Gegend um Leiden nieder. Dort wuchs ihre Gruppe bis zu einer Größe von 300 Personen an, denn es trafen bald weitere Flüchtlinge aus England ein.
In Holland wurden sie zwar nicht verfolgt, waren aber eben Fremde in einem anderen Land und fürchteten, ihr Dasein als Engländer letztendlich zu verlieren, wenn ihre Kinder und Kindeskinder sich als Holländer fühlen würden anstatt als Engländer. Auch unterlagen sie in Holland als Ausländer in ihren Tätigkeiten Beschränkungen. Die Schriften der Gruppe um Robinson und Brewster, die sie nun von Holland aus nach England schickten, verursachten dort jedoch weiterhin mehr als nur Unmut und sie sahen die Gruppe aus Leiden weiterhin als Umstürzler. Schließlich drängte die englische Krone die Holländer dazu, die Puritaner bzw. deren Führer zu verhaften. In Holland war man inzwischen drauf und dran, dem Ansinnen nachzugeben. So sahen die Puritaner ihre einzige Lösung, ein neues besseres Leben in einer völlig neuen Gegend zu beginnen. Schließlich fiel ihre Wahl auf die neugegründeten Kolonien in Nordamerika.
Seit Anfang des 17. Jahrhunderts war die Gegend von Neuengland und Virginia, wo bereits eine englische Kolonie existierte, immer besser erkundet und es existierten bereits detaillierte Karten. Schließlich fanden die Puritaner aus Leiden, die selbst zu arm waren, um eine Siedlung in Amerika und die Überfahrt eigenständig finanzieren zu können, Geldgeber in London. Mit ihnen wurde ein Vertrag geschlossen. Mit einer Charta der Krone wurde den Siedlern an der Südküste von Virginia ein Stück Land zugewiesen, auf dem sie siedeln durften. Im Austausch für die Bezahlung der Überfahrt in die neuen Kolonien sollten die Siedler sieben Jahre lang für die Londoner Geldgeber arbeiten, denen sämtliche Gewinne aus der Bewirtschaftung des Landes zufallen sollten. Nach Ablauf dieser sieben Jahre würden sich Siedler und Geldgeber in die Gewinne und den Landbesitz teilen.
Und so brachen die Siedler 1620 zunächst von Leiden ins südenglische Plymouth auf, wo sie an Bord der kleineren Speedwell und der größeren Mayflower in See stachen. Von den ursprünglich 120 Passagieren, waren etwa die Hälfte Puritaner, während der Rest „Fremde“ waren. So zumindest wurden sie an Bord von den Puritanern genannt. Die „Fremden“ waren keine Puritaner, wollten aber ebenfalls in Amerika siedeln und wurden von den Geldgebern mitgeschickt, auch damit sie zum finanziellen Gewinn des Siedlungsprojektes beitragen sollten. Kurz nach ihrer Abfahrt aus Plymouth Anfang September 1620 mussten die beiden Schiffe jedoch umkehren, da die kleinere Speedwell leckte und deutlich wurde, dass sie für eine Hochseereise nicht tauglich war. Schließlich verließen 102 Siedler alle gemeinsam an Bord der Mayflower den Hafen von Plymouth und machten sich auf die beschwerliche Reise über den Ozean.
Entsprechend eng war der Platz an Bord und entsprechend beschwerlich. Kaum mehr als einen Meter war die Unterbringung unter Bord hoch und mit viel mehr Passagieren als ursprünglich vorgesehen war es an Bord auch entsprechend eng. Die Passagiere waren permanent durchnässt, litten an Hunger und die meisten von ihnen wurden unterwegs seekrank. Zwei von ihnen starben auf der Überfahrt, aber es wurden auch zwei Kinder geboren.
Zwei Monate später landete die Mayflower schließlich im heutigen Provincetown auf Cape Cod, der Halbinsel, die den Neuenglandstaaten vorgelagert ist. Stürme und mangelnde Navigation hatte die Mayflower von ihrem Kurs abgebracht, sodass sie weiter nördlich als geplant landete. Die Siedler entschlossen sich, zum Festland weiterzufahren. Sie gingen schließlich im heutigen Plymouth an Land. Eine Weiterreise zum ursprünglich geplanten Ziel hätte eine zusätzliche beschwerliche Seereise bedeutet, welche die Siedler nicht auf sich nehmen konnten.
Bereits während der Überfahrt war es an Bord zu Auseinandersetzungen zwischen den Puritanern untereinander, aber auch zwischen den Puritanern und den „Fremden“ gekommen. Bevor sie an Land gingen, schlossen die Passagiere deshalb mit dem Mayflower Compact einen Vertrag, in dem das künftige gemeinschaftliche Leben untereinander geregelt wurde. Denn nun waren sie in einer Gegend gelandet, für die sie keine königliche Charta hatten, einem Landstrich, der von England bisher nicht besiedelt war.
Doch ganz so unbewohnt war die neue Heimat der Pilgerväter natürlich nicht. Schnell stellten sie fest, dass die Gegend zwar bewohnt gewesen, jedoch nunmehr verlassen lag. In der Tat war die Gegend die Heimat des Stammes der Wampanoag, der jedoch in den Jahren vor Ankunft der Pilgerväter von einer Pockenepidemie heimgesucht und in ihrer Zahl stark dezimiert worden war.
Ohne die Unterstützung der einheimischen Wampanoag hätten die Siedler den ersten Winter nicht überleben können. Von ihnen erhielten sie Lebensmittel und lernten wertvolle Techniken für den Anbau im nächsten Jahr, denn schließlich war das Klima und der Boden in der neuen Heimat ein anderes als das, was die Siedler aus Europa gewöhnt waren. Und so lebten die meisten der Neuankömmlinge im ersten Winter, bevor überhaupt die ersten Unterkünfte gebaut werden konnten, weiterhin an Bord der Mayflower, die erst im darauffolgenden Frühjahr nach England zurücksegeln sollte. Der Neuanfang war so hart, dass nur die Hälfte der Siedler den ersten Winter überlebte.
Im Frühjahr begann sich die Lage etwas zu entspannen, als die erste Saat ausgebracht werden und die ersten Gebäude gebaut werden konnten. Zu dieser Zeit trafen sie außerdem in ihrer Siedlung auf einen Einheimischen namens Squanto, vom Stamm der Wampanoag, der als junger Mann von Kolonisten nach Spanien verschleppt worden war, von dort nach England gelangte und so Englisch sprach. Nach der Rückkehr in seine alte Heimat fand er seine Familie nicht mehr vor, die inzwischen durch die Epidemie dahingerafft worden war. Er half nun aber den englischen Siedlern. Er zeigte ihnen, die keine Erfahrungen im Fischfang und Jagen hatten, wie man dies machte, auch welche Techniken die Ureinwohner beim Pflanzen, also in der Landwirtschaft anwendeten. Maiskörner und Bohnen wurden gesät, welche die Siedler in den leeren Siedlungen der Einheimischen gefunden hatten und die ihnen bis dato unbekannt waren. Außerdem half ihnen Squanto als Dolmetscher und stellte Kontakte zum Stamm der Wampanoag her. Deren Häuptling Massasoit schloss 1621 mit den Siedlern einen Vertrag, der 50 Jahre halten sollte und der ein friedliches Miteinander garantierte. Massasoit erhoffte sich mit dem Vertrag nicht nur ein friedliches Miteinander, sondern künftig auch Vorteile in Bezug auf den Handel mit den Neuankömmlingen. Im Herbst des Jahres 1621 feierten die Siedler mit den Einheimischen schließlich das erste Erntedankfest, Thanksgiving, das bis heute in den Vereinigten Staaten ein wichtiger jährlich wiederkehrender Feiertag ist.
Dennoch war in den ersten Jahren die Existenz der Siedler ständig in Gefahr. Die Ernten fielen karg aus, sodass sie Hunger litten, aber auch Krankheiten kursierten. Auch fehlte es ihnen an Werkzeug, um größere Behausungen zu bauen, sodass es davon in den Anfangsjahren nur einige wenige vorübergehende Gebäude gab, die keine festen stabilen Bauten waren. Bereits ein Jahr nach Ankunft der Pilgerväter legte das nächste Schiff mit neuen Siedlern an. Zwei Jahre später folgten die nächsten beiden Schiffe mit Siedlern aus England. Und so stieg danach die Zahl der Siedler weiter an, denn weitere Schiffe aus England folgten. Viele der Siedler dieser Schiffe gründeten neue Siedlungen und zogen zum Teil auch zur benachbarten Massachusetts Bay Company weiter.
Direkt nach der Unterzeichnung des Mayflower Compact hatten die Pilgerväter John Carver zu ihrem ersten Gouverneur bestimmt. Ihm war zum großen Teil die Finanzierung des Siedlungsprojektes durch Geldgeber in der alten Heimat zu verdanken gewesen, weshalb die Wahl auf ihn fiel. Er war damit der erste frei gewählte Gouverneur in den neuen Kolonien. Nach seinem Tod wurde als sein Nachfolger der bereits erwähnte William Bradford bestimmt. Er war es auch, der schließlich, entgegen den ursprünglichen Abmachungen mit den Londoner Geldgebern, ab 1623 Landparzellen aufteilte, damit die Siedler diese gleichzeitig bewirtschaften konnten. Ein lebensnotwendiger Schritt, denn es drohten weiterhin Hungersnöte und die Abmachungen mit den Geldgebern hatten vorgesehen, dass die Siedler von ihnen im Austausch für die Arbeit versorgt werden sollten. Aufgrund der ausbleibenden Gewinne hatten die Geldgeber jedoch das Interesse an dem Siedlungsprojekt verloren. Der zunehmende Handel mit Getreide und vor allem mit Pelzen führte schließlich dazu, dass das Siedlungsprojekt langsam Früchte zu tragen begann. Die Siedler kauften Anteile an der Aktiengesellschaft ihrer Londoner Geldgeber zurück, sodass diese schon 1627 liquidiert wurde.
Doch im friedlichen Zusammenleben mit den Einheimischen sah die Lage inzwischen nicht mehr so rosig aus, denn der Landhunger der Siedler wurde ihm zum Verhängnis. Für die Einheimischen waren die Siedler trotz allem von Anbeginn in gewissem Maß eine Bedrohung, sahen sie doch andernorts, wie dort Siedler immer weiter vordrangen, sich Land nahmen und die Einheimischen vertrieben und töteten. Und so kam es in den Jahren 1675 bis 1676 zum sogenannten King Philip’s War. König Philip, der in der Sprache der Einheimischen eigentlich Metacomet genannt wurde, war einer der Söhne des Häuptlings Massasoit vom Stamm der Wampanoag, mit dem die Siedler einst den Friedensvertrag geschlossen hatten. Als Massasoit verstarb, trat sein Sohn seine Nachfolge an. Inzwischen war klar geworden, dass sie durch die Weißen Stück für Stück alles verlieren würden.
Metacomet bzw. König Philip versammelte deshalb die Stämme um sich herum und sie setzten zur Verteidigung an. Allerdings waren die Siedler inzwischen bereits in der Übermacht. Im Ergebnis des Krieges verloren die Ureinwohner mehr als 3.000 Mitglieder ihrer Stämme. Durch diese Dezimierung waren sie schon allein zahlenmäßig so geschwächt, dass die Siedler der Kolonien in Neuengland, deren Zahl inzwischen beständig wuchs, fortan in der Übermacht waren und entsprechend nun selbst über das Land bestimmten. Den Stamm der Wampanoag gab es nach dem Krieg nicht mehr. Die neue Generation der Siedler erinnerte sich kaum noch an die Anfänge der Pilgerväter und deren Zusammenleben mit den Einheimischen.
Von den Gebäuden der neuen Siedler, welche die Pilgerväter einst errichteten, steht heute keines mehr. Um an sie zu erinnern, wurde jedoch ab 1946 eine Siedlung nachgebaut, direkt in Plymouth, wo sich die Pilgerväter nach ihrer Ankunft 1620 niederließen. Es ist ein Freiluftmuseum, Plimouth Plantation genannt, das sich etwas außerhalb vom heutigen Plymouth, südlich von Boston im heutigen Bundesstaat Massachusetts befindet. Eine Siedlung, in der nicht nur die Gebäude nachgebaut wurden, sondern in der das Leben der Siedler von Schaustellern nachgespielt wird.
Außerdem ist in Plymouth selbst ein Nachbau der Mayflower zu sehen, direkt in der Nähe vom Plymouth Rock. Der Plymouth Rock, ein riesiger Stein im Ort Plymouth mit dem eingravierten Datum 1620, erinnert heute noch an die Ankunft der Siedler.
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